Stolberg Auf dem Spendenkonto der Stadt Stolberg liegen noch 1,12 Millionen Euro für Betroffene der Flutkatastrophe. Die Verwaltung schlägt jetzt einen neuen Weg ein, um das Geld auszuzahlen.
Wenige Tage nach der Hochwasserkatastrophe sorgte Stolberg schon wieder für Aufsehen. Diesmal waren es nicht die gewaltigen Wassermassen, die die überregionale Aufmerksamkeit erregten, sondern eine sehr unkonventionelle Maßnahme der Stadtverwaltung. Diese hatte angesichts der großen Not in der Bevölkerung die Entscheidung getroffen, eine erste Soforthilfe an von der Flut betroffene Menschen auszuzahlen – völlig unbürokratisch und in bar.
So gingen alleine am 22. Juli 2021 rund 600.000 Euro über die Tische der am Kulturzentrum Frankental, in Vicht und in Zweifall provisorisch errichteten Ausgabestellen. Das Geld war – was damals nur ein ganz enger Kreis innerhalb der Verwaltung wusste – von einem Aachener Bankinstitut in einem Auto nach Stolberg gebracht worden. Am Ende der Woche hatte Kämmerer Ralf Glantschnig dann vermeldet: „Wir haben insgesamt 921.750 Euro an Soforthilfe an Flutopfer ausgezahlt.“
Die Stadt war dafür zunächst in Vorleistung gegangen, doch die anschließend eingehenden Spenden deckten diese Summe später locker ab. Mehr noch: Rund 3,17 Millionen Euro gingen insgesamt auf dem städtischen Konto ein. Etwa zwei Millionen Euro davon sind mittlerweile wieder ausgegeben worden. Bleiben noch rund 1,12 Millionen Euro, die an diesem Dienstag Thema in Hauptausschuss und Rat sein werden.
Beiden Gremien unterbreitet die Verwaltung den Vorschlag, die Summe in zwei Tranchen an die Bürgerstiftung Stolberg auszuzahlen. Sie soll die Spenden verwalten und für die Finanzierung von sozialen Projekten, die im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe stehen, weitergeben.
„Das ist das Ergebnis eines längeren Entscheidungsprozesses, an dem die Fraktionsvorsitzenden in mehreren Runden beteiligt waren“, ordnet Michael Ramacher den Vorgang ein. Die Bürgerstiftung sei bestens geeignet, die noch nicht ausgegebenen Mittel zweckgebunden einzusetzen. „Sie hat darin ja schon große Erfahrung und zudem beste Kontakte in die Bevölkerung“, argumentiert der Beigeordnete. Und sie könne deutlich schneller, flexibler und unbürokratischer arbeiten als die Stadtverwaltung. „Bei diesem Thema hat es zwar immer einen politischen Konsens gegeben. Aber dennoch müssen die erforderlichen Abläufe eingehalten werden – vom Erstellen einer Vorlage bis zur Entscheidung der zuständigen politischen Gremien.“
Nach dem zu erwartenden positiven Votum des Rates will die Stadt mit dem Vorstand der Bürgerstiftung zügig einen Vertrag ausarbeiten und unterzeichnen. „Darin wird festgehalten, dass die Gelder nur im Zusammenhang mit den Folgen der Hochwasserkatastrophe verwendet werden dürfen – und das bei regelmäßigem Austausch mit Politik und Verwaltung.“ Gleichwohl werde das, so Ramacher, in Eigenverantwortung geschehen. „Das heißt, es ist kein politischer Beschluss erforderlich, um ein Projekt zu fördern.“ Am Ende müsse die Bürgerstiftung aber einen förmlichen Nachweis erbringen, dass die Mittel im Sinne der Spendenden eingesetzt worden sind. „Das wird dann so eine Art Rechenschaftsbericht sein“, sagt Michael Ramacher.
In einer ersten Tranche sollen der Bürgerstiftung 700.00 Euro ausgezahlt werden. Am 31. Januar 2024 will die Stadt dann einen „Kassensturz“ machen und schauen, wie viel von der restlichen Summe noch übrig ist. „Wir haben laufende Zahlungsverpflichtungen, beispielsweise für das Blaue Haus. Die werden wir dann final abrechnen und das verbleibende Geld ebenfalls an die Bürgerstiftung weiterleiten“, kündigt der Beigeordnete an.
Dass die Bürgerstiftung mit Spendengeldern umgehen kann, hat sie nach Meinung von Hans-Josef Siebertz im Zusammenhang mit der Flut bereits bewiesen. Insgesamt rund 330.000 Euro seien bei der eigenen Sammelaktion zusammengekommen. „Diese Summe haben wir jetzt komplett verausgabt“, berichtet der Vorsitzende. Als Beispiele nennt er neue Kühltransportfahrzeuge für die Tafel und eine neue Küche für die Wabe. „Von Zweifall bis Atsch haben wir mehr als 15 Einrichtungen geholfen.“
Entsprechend geht Siebertz davon aus, dass die Ehrenamtler der Bürgerstiftung auch das Geld vom städtischen Spendenkonto gut verteilen werden – trotz der deutlich höheren Summe. „Wir werden dazu sicherlich eine Arbeitsgruppe bilden, die sich um die Umsetzung kümmert“, wirft er einen Blick in die Zukunft. Er rechnet mit 15 bis 20 Menschen, die sich in verschiedenen Teilbereichen einbringen.
Darüber hinaus sei die Kooperation mit den ortsansässigen sozialen Organisationen elementar wichtig. „Sie haben nicht nur in der Phase seit der Flut vielfältige Hilfestellung geleistet und wissen demnach genau, wo noch Unterstützung nötig ist“, betont Siebertz. Die Bürgerstiftung selbst könne laut Satzung nur gemeinnützige Einrichtungen unterstützen, das werde sich auch für die Auszahlung der städtischen Spendengelder nicht ändern.
Bis wann das passieren wird, kann der Vorsitzende noch nicht sagen. Er erwartet, dass in der Verwaltungsvereinbarung nicht nur die Kriterien zur Abwicklung festgelegt werden, sondern auch ein möglicher Zeitplan. „Das wird sicherlich noch viele Gespräche erfordern, aber das Ganze ist gut vorbereitet und die Kommunikation funktioniert auch. Alles weitere werden wir unmittelbar nach dem Ratsbeschluss erarbeiten“, stellt Hans-Josef Siebertz zuversichtlich fest.
„Nicht mehr nach dem Gießkannen-Prinzip“
„Die Bürgerstiftung ist sehr nah an den Menschen, und sie ist viel beweglicher als die Stadt“, lobt Rita Claßen. Dass nun nicht mehr Einzelpersonen, sondern nur noch Projekte unterstützt werden sollen, hält die SPD-Fraktionsvorsitzende für richtig. „Fast zwei Jahre nach der Flutkatastrophe ist die Zeit gekommen, das Geld nicht mehr nach dem Gießkannen-Prinzip zu verteilen“, zeigt sie sich überzeugt.
Die Bürgerstiftung verfüge über große Erfahrung bei der Förderung sozialer Projekte und zudem über enorme fachliche Kompetenz im Vorstand. „Das hat mich derart überzeugt, dass ich der Stiftung jetzt auch beigetreten bin“, berichtet Claßen.
Diesen Schritt hat Jochen Emonds schon lange hinter sich. „Die Bürgerstiftung arbeitet sehr gewissenhaft und zuverlässig“, hat der CDU-Fraktions- und Parteivorsitzende keine Zweifel daran, dass sie auch dieser wichtigen Aufgabe gewachsen sein wird. Bei der Verteilung der verbliebenen Spendengelder gehe es darum, „dass man möglichst einfach Anträge stellen kann und diese dann schnellstmöglich und unbürokratisch bearbeitet werden.“
In Stolberg gebe es eine „vielfältige Trägerstruktur“, die gewährleiste, dass die Mittel auch tatsächlich zweckgebunden eingesetzt werden. „Das schließt aber nicht aus, dass Geld auch weiterhin in die Behebung sozialer Engpässe, etwa bei der täglichen Versorgung, fließen wird“, betont Emonds und nennt beispielhaft die Stolberger Tafel und die IG Mühle, die Essen und Nahrungsmittel an Bedürftige ausgeben.
Die CDU, so ihr Vorsitzender, dränge seit geraumer Zeit darauf, dass die noch zur Verfügung stehenden Spenden schnell ausgezahlt werden. „Deshalb sind wir froh, dass dies nun bald auch geschehen wird.“